Theorie 

Neues Bildmaterial für neue Raumwahrnehmungen

Text — Katrin Albrecht

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Fotocollage auf dem Schutzumschlag der Publikation «Can Our Cities Survive?» (1942) von José Luis Sert. Sie zeigt Menschen eingepfercht in einer Sardinenbüchse, die ihren Schatten auf die nächtlich beleuchtete, historische Stadt und moderne Autobahninfrastruktur wirft. Quelle: ETH gta Bibliothek

Fotografie in der Städtebauliteratur an der Wende zum 20. Jahrhundert

Im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts etablierte sich der moderne Städtebau allmählich als autonome wissenschaftliche und künstlerische Disziplin. Mit einher ging die Entstehung eines eigenständigen, fachspezifischen Abbildungskorpus‘, mit dem das Phänomen Städtebau erfasst und vermittelt werden sollte. Neue Darstellungsformen, insbesondere die Fotografie, gewannen an Bedeutung.

Das Aufkommen von ausdrücklich dem Städtebau gewidmeter Literatur geschah parallel zu einer Reihe technischer und medialer Entwicklungen. Sie veränderten die wissenschaftliche Buch- und Zeitschriftenproduktion ebenso grundlegend wie die Wahrnehmung des architektonischen, städtischen und landschaftlichen Raums. Neue Bildmedien, Papiere, Werkzeuge, Maschinen, Druckverfahren und Reproduktionstechniken revolutionierten die Herstellung und Vervielfältigung von Abbildungen und machten sie rasch zu einem praktikablen Instrument für die Wissensvermittlung [1], gleichzeitig sorgten rationalisierte Vermessungstechniken und wissenschaftliche Methoden für die Erarbeitung neuer Grundlagen [2]. Sie führten zu neuen Ausdrucksweisen und damit auch zur Veränderung vertrauter Sehgewohnheiten [3]. Die Verbreitung von neuem Bildmaterial spielte nicht nur für die Entstehung des Städtebaus als Disziplin eine wichtige Rolle, sondern hat auch wesentlich unsere Vorstellung von Stadt und Städtebau geprägt.

Wie andere wissenschaftliche Publikationen sind Bücher zum Städtebau primär auf die Vermittlung technischer und praktischer Inhalte ausgerichtet. Abbildungen sind selten illustrativ. 

Verwendung und Verbreitung von Abbildungen

Im Unterschied zu Kunstbüchern und kunsthistorischen Abhandlungen, die oft mit aufwendigen Reproduktionen von Kunstwerken versehen sind, orientieren sich Bücher zum Städtebau an der Ausstattung klassischer Architekturtraktate. Wie andere wissenschaftliche Publikationen sind sie primär auf die Vermittlung technischer, praktischer und theoretischer Inhalte ausgerichtet, Abbildungen erscheinen darin selten nur illustrativ [4].

Ihre Verwendung wurde von den Autoren sowohl quantitativ wie qualitativ höchst unterschiedlich gehandhabt. Genauso heterogen präsentieren sich die Inhalte und Darstellungsmodi: so gibt es weder einzelne Motive, noch bestimmte Bildtypen oder Maßstäbe, die als Standard in allen Städtebaubüchern vorkommen – vom Porträtbild berühmter Städtebauer über langzeitbelichtete Nachtaufnahmen von Plätzen bis hin zu handgezeichneten Skizzen, akkuraten Konstruktionszeichnungen, Flugbildaufnahmen und rudimentären Schemata ist alles zu finden. Die Abbildungen stehen fast immer in enger Verbindung zum Text, nur ausnahmsweise erscheinen sie als weitgehend autonome Wissenssysteme, wie etwa in der neunbändigen, zwischen 1901 und 1917 von Paul Schultze-Naumburg herausgegebenen Reihe «Kulturarbeiten» [5]. Er nutzte das neue Medium Fotografie seit der Jahrhundertwende als einfache, schnelle Methode der Bildherstellung. In seinen Schriften setzte er die Bilder dann gezielt als einprägsame, didaktische Form der Argumentation ein, indem er sie propagandistisch als «Beispiele» und «Gegenbeispiele» arrangierte. (Abb. 1) Diese Gegenüberstellungen hätten eine «unglaubliche Wirkung gezeitigt und bis in die Neuzeit immer dort fortgewirkt, wo der verbale Diskurs versiegte oder von vornherein unerwünscht war» [6].

Die rasch zunehmende Wichtigkeit bildlich vermittelter Inhalte verdeutlichen die drei in kurzer Folge publizierten Manuale des amerikanischen Theoretikers Charles Mulford Robinson: Nachdem er 1901 und 1903 zwei reine Textbücher publiziert hatte, sah er sich 1904 offenbar veranlasst, die Neuauflage seiner zweiten Schrift «Modern Civic Art» zu bebildern [7]. Er fügte daher in der sonst unveränderten Textvorlage 30 Bildseiten ein, fast ausschließlich Fotografien, die verschiedene Stadt- und Landschaftselemente in nordamerikanischen und europäischen Städten wiedergeben. (Abb. 2) Sein drittes, 1916 veröffentlichtes Buch «City Planning» enthielt bereits 70 Abbildungen; hinzugekommen waren nun aber vor allem Pläne und Diagramme.

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Abb 1: Fotografien von Stadträumen im Band «Städtebau» (1906) von Paul Schultze-Naumburgs «Kulturarbeiten», arrangiert als Beispiel und Gegenbeispiel mit schematischen Grundrissen zur Orientierung. Quelle: ETH Bibliothek
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Abb 2: Der amerikanische Städtebautheoretiker Charles Mulford Robinson integrierte 1904 in der 2. Auflage seines ursprünglich unbebilderten Buchs «Modern Civic Art» Fotografien von städtebaulichen und landschaftlichen Elementen wie Plätzen, Strassen, Uferpromenaden, Boulevards, Baugruppen, Bahnhöfen, Verkehrsinseln, Toren, Brunnen, Brücken, Parkwegen und -anlagen. Quelle: https://archive.org

Wahl und Wirkung der Bildtypen hingen stark von der Herstellung und Reproduktion der Abbildungen ab, besonders von den Entwicklungen der Aufnahme- und Drucktechniken im 19. und 20. Jahrhundert, welche die Verfügbarkeit und Verbreitung des Bildmaterials überhaupt erst ermöglichten.

Abbildungen im technischen Wandel

In den Schriften zum Städtebau versammelt sich ein breites Spektrum bildtypologischer Darstellungen: Zeichnungen nach historischen Vorlagen, Kataster, Landkarten, Stadtpläne, Platzgrundrisse, Straßenschnitte und Diagramme, ebenso Fotografien, Perspektivzeichnungen, Vogelschauen und Modellaufnahmen sowie Tabellen und Formeln. Wahl und Wirkung der Bildtypen hingen stark von der Herstellung und Reproduktion der Abbildungen ab, besonders von den Entwicklungen der Aufnahme- und Drucktechniken im 19. und 20. Jahrhundert, welche die Verfügbarkeit und Verbreitung des Bildmaterials überhaupt erst ermöglichten. Die technischen Bedingungen beeinflussten die Verwendung und Qualität von Abbildungen unmittelbar, so dass sich der Stand der aktuellsten Bilderdrucktechniken gut anhand der Publikationen nachvollziehen lässt:

Als etwa der französische Ingenieur Adolphe Alphand zwischen 1867 und 1873 sein aufwändig illustriertes, zweibändiges Werk «Les Promenades» de Paris veröffentlichte, war die Fotografie längst schon erfunden. Ihre Reproduktion in Büchern war aber sehr kostspielig und arbeitsintensiv. Zudem konnten fotografische Abbildungen noch nicht zusammen mit Lettern im Hochdruckverfahren vervielfältigt werden, sondern mussten wie Kupferstiche oder Lithographien im Tief- bzw. Flachdruck als separate Tafeln hergestellt und nachträglich eingebunden oder auf den Seiten eingeklebt werden. Alphand ließ daher den damals üblichen Praktiken folgend unzählige ausserordentlich fein gearbeitete Holzstiche von historischen Plänen, Ansichten, Perspektivzeichnungen, Vogelschauen und technischen Details anfertigen, um sie mit Textelementen kombiniert drucken zu können. Dazu präsentierte er Bildtafeln von einzelnen Bauwerken und akribisch schattierten Platzgrundrissen und Parkanlagen, die dank Stahlstichen einen sehr hohen Detaillierungsgrad und eine feine künstlerische Wirkung erreichten (Abb. 3). Er fügte auch großformatige, in verschiedenen Tonwerten abgestufte Farbabbildungen hinzu, so genannte Chromolithografien, die ein äußerst anspruchsvolles Druckverfahren erforderten [8].

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Abb 3: Tafel «Avenue de l’Impératrice» in Adolphe Alphands «Les Promenades de Paris» (1867–1873) mit Aufrissen von Kandelabern, Grundriss, Perspektivzeichnung und Schnitt aus einem fein gearbeiteten Stahlstich. Alphand ergänzte seine aufwändig bebilderte Publikation auch mit großformatigen, in verschiedenen Tonwerten abgestuften Farbabbildungen, so genannten Chromolithografien, die ein äusserst anspruchsvolles Druckverfahren erforderten. Quelle: www.e-rara.ch
 

Josef Stübben setzte 1890 in seinem Grundlagenwerk «Der Städtebau» gerasterte Fotografien und Zeichnungen ein, um kleinstädtische Architektur perspektivisch zu zeigen. In den Abbildungen waren sogar Menschen zu sehen. 

1890 machte Josef Stübben in seinem vielbeachteten Grundlagenwerk «Der Städtebau» von den neusten drucktechnischen Errungenschaften Gebrauch, um das umfangreiche, sorgfältig konzipierte Plankonvolut und einige wenige perspektivische Ansichten zu reproduzieren. Sein Handbuch dokumentiert mit den direkt in den Text integrierten Fotografien und Halbton-Zeichnungen die inzwischen erreichten Fortschritte. Gleichsam markiert es den Übergang in eine neue bildmediale Ära, denn für ihren Druck kamen Zink-Hochätzungen aus den renommierten Bildanstalten von Carl Angerer & Göschl in Wien und Georg Meisenbach in München zum Einsatz, deren Experimente Anfang der 1880er Jahre zum lang erhofften Durchbruch in der fotomechanischen Reproduktion von Halbtönen im Buchdruck geführt hatten [9]. Es ist darum durchaus bemerkenswert, dass Stübben bereits in jenen Jahren von der neuartigen Technik profitierte [10]. Er setzte etwa autotypisch gerasterte Fotografien und Zeichnungen ein, um verschiedene städtische Klein- und Festarchitekturen ausnahmsweise perspektivisch, meist auch mit Menschen ausstaffiert zu zeigen. Camillo Sitte hatte in seiner im Jahr zuvor erschienenen Schrift «Der Städte-Bau» die Bilder noch anders gehandhabt: Er ließ vier Fotografien von monumentalen Bauwerken als hochwertige Heliogravüren separat einbinden, während er für die übrigen im Text gedruckten Ansichten und Pläne vermutlich auf den altbewährten Holzstich zurückgriff [11]. (Abb. 4)

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Abb 4: Die vier im Tiefdruckverfahren reproduzierten Fotografien in Camillo Sittes Publikation «Der Städte-Bau» (1889) stammten aus der Wiener Kunstanstalt für Heliogravüren von Jacob Blechinger. Eine davon zeigt das Pantheon, das in den ersten drei Ausgaben noch mit den im 17. Jahrhundert auf dem Portikus errichteten, 1883 wieder abgerissenen Türmen zu sehen ist. Die Abbildung wurde erst für die vierte Neuausgabe von 1909 aktualisiert. Quelle: www.e-rara.ch 

Rolf Sachsse zufolge ergab sich «die medial größte Verschiebung im Angebot und Gebrauch fotografisch illustrierter Bücher aus der Möglichkeit, autotypisch gerasterte Bilder direkt in Bücher einzudrucken und nicht mehr als Fremdkörper einzukleben»[12]. Zu den ersten, mit Rasterbildern von hoher Qualität ausgestatteten Büchern hebt er das 1904/1905 bei Wasmuth erschienene Werk «Das englische Haus» von Hermann Muthesius hervor [13]. (Abb. 5) Mit qualitativ genauso hochstehenden Aufnahmen versehen kamen etwa zur gleichen Zeit, nebst den ersten Bänden von Schultze-Naumburgs Kulturarbeiten, auch weitere Bücher zum Städtebau heraus [14].

Kurz nach der Jahrhundertwende erschien «Das englische Haus» von Hermann Muthesius. Darin waren qualitativ hochstehende Rasterbilder zu sehen. 

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Abb. 5: Eine Doppelseite aus Hermann Muthesius’ «Das englische Haus» von 1904 mit hochwertigen fotografischen Außen- und Innenansichten kombiniert mit einem Grundriss und Text. Quelle: https://digitalesammlungen.uni-weimar.de

 

Nach der Jahrhundertwende trat allmählich eine Konsolidierung des technischen Fortschritts im Bilder- und Buchdruck ein. Eine Neuerung brachte aufnahmetechnisch die Luftfotografie. Sie eröffnete der Vermessungstechnik und Territorialplanung eine neue Dimension, was sich ab den 1920er Jahren sichtbar in der Städtebauliteratur niederschlug. Das Buch «Cours d’urbanisme» des französischen Geometers René Danger von 1933 dokumentiert das aufkommende Interesse an der Luftfotografie und deren konkreten Nutzen für die Planungstätigkeit beispielhaft [15]. Konsequent integrierte er Schrägaufnahmen von Stadtplätzen wie der Piazza San Marco und übertrug damit die fotografische Vogelschau systematisch auf die seit Camillo Sitte zum Klassiker avancierte Plandarstellung von städtischen Platzanlagen. (Abb. 6 und Abb. 7) Die Aufnahmen präsentierten eine neue, ungewohnte Sichtweise auf bislang kaum in einem Bild vereinte Aspekte wie Höhen und Tiefen, Baumassen und Leerräume oder Lichtverhältnisse.

Auch bezüglich der Anordnung der Abbildungen in den Büchern ist eine technische Entwicklung auszumachen: So erschienen die ersten bebilderten Städtebaubücher wie jenes von Alphand noch traditionell als Mappenwerke – eine «Zwischenform von Buch und Bild» [16] – die oft über längere Zeit als einzelne Texthefte und Bildtafeln herausgegeben, gesammelt und individuell gebunden wurden. Mit der Einteilung in getrennte Text- und Bildteile ließen sich außerdem Produktionskosten und somit auch die Buchpreise tief halten, was sich gerade für Lehrmittel anbot. Meistens versuchte man die Abbildungen jedoch an geeigneter Stelle in den Text einzufügen. Aus Qualitätsgründen wurden vor allem Fotografien oft separat auf gestrichenem Kunstdruckpapier gedruckt und als Einzelseiten eingebunden wurden, diese Differenzierung verlor in den 1920er Jahren aber allmählich an Bedeutung. (Abb. 8)

Die Luftfotografie eröffnete der Vermessungstechnik und Territorialplanung eine neue Dimension, was sich ab den 1920er Jahren sichtbar in der Städtebauliteratur niederschlug. 

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Abb 6: Der vielfach analysierte Markusplatz in Venedig in einer Grundrisszeichnung von Camillo Sitte (1889) und einer von René Danger in «Cours d’urbanisme» publizierten Schrägaufnahme (1933). Der französische Geometer Danger übertrug die fotografische Vogelschau systematisch auf die seit Sitte zum Klassiker avancierte Darstellung von städtischen Plätzen. Quellen: www.e-rara.ch, ETH Bibliothek

 
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Abb 7: Wie der Markusplatz wurde auch die Platzsituation mit Donatellos Bronzeskulptur in Padua zu einem Topos der Stadtbaukunst: „Von Monument-Aufstellungen dieser Art ist eine der lehrreichsten die des Reiterbildes des Gattamelata von Donatello vor S. Antonio zu Padua. Diese merkwürdige, total unmoderne Aufstellung kann gar nicht eindringlich genug dem Studium empfohlen werden. [...] Aehnlich wie Pharaonenbilder und Obelisken neben den Tempelpforten, steht Gattamelata und die kleine Säule neben dem Eingang auf dem Domplatz. Das ist das ganze heute bereits so schwer verständlich gewordene Geheimniss.“ So hatte Camillo Sitte in seiner Publikation 1889 geschrieben, jedoch ohne eine Abbildung zu zeigen. Albert E. Brinckmann holte dies nach, indem er 1908 seine Schrift «Platz und Monument» mit Grundriss und Fotografie nach eigenen Vorlagen ergänzte. Quelle: https://digitalesammlungen.uni-weimar.de
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Abb 8: Text und Linienzeichnungen zusammen auf rauem Werkdruckpapier, Fotografien separat auf gestrichenem Kunstdruckpapier in Raymond Unwins «Town Planning in Practice» (1909). Kriegs- und wirtschaftsbedingt war die Druck- und Papierqualität mitunter bescheiden, zur deutschen Neuausgabe von Unwins Buch «Grundlagen des Städtebaues» im Jahr 1922 schrieb zum Beispiel ein Rezensent: «Dieses außerordentlich wertvolle, dem Städtebauer von heute unentbehrliche Werk umfaßt in der vermehrten und verbesserten Auflage 347 Abbildungen und 7 Faltpläne, die trotz der unerschwinglichen Papier- und Druckpreise in sehr guter Ausführung zur Geltung kommen.» («Der Städtebau», 19, Nr. 3/4, 1922/23, S. 40.) Quelle: ETH Bibliothek


 

Räumliche Ansichten wie Perspektivzeichnungen und Fotografien wurden im ausgehenden 19. Jahrhundert zu einem beliebten Medium für die Sammlung von architektonischen Motiven und für die Darstellung von Entwurfsideen im kunsthistorischen Unterricht.

Erfahrung und Darstellung von Stadtraum

Grundsätzlich lassen sich die in der Städtebauliteratur vorkommenden Bildtypen in zwei Kategorien einordnen: in plangrafische, maßstabsgetreue Zeichnungen und räumlich-perspektivische Ansichten. In dieser groben Differenzierung kommt der Dualismus des Städtebaus als planerische Tätigkeit und räumlicher Tatbestand zum Ausdruck. Zugleich enthält sie die Frage nach dem für den Städtebau «richtigen» Darstellungsmodus.

Räumliche Ansichten wie Perspektivzeichnungen und Fotografien wurden im ausgehenden 19. Jahrhundert zu einem beliebten Medium für die Sammlung von architektonischen Motiven und für die Darstellung von Entwurfsideen im kunsthistorischen Unterricht. Sie dienen vornehmlich als «Beweis», um die plastische Wirkung einer auf dem Papier erarbeiteten oder theoretisch erörterten Planung sowie stadträumliche Qualitäten zu belegen – sie visualisieren gewissermaßen real existierende oder antizipierte Situationen. Hierfür beispielhaft sind die Schriften des Franzosen Augustin Rey, der fotografische Aufnahmen oft am Ende einer zunächst anhand von Text, Diagrammen und Plänen entwickelten Argumentationskette einsetzte. Den abstrakten, auf wenige Elemente reduzierten Zeichnungen hielt er so ein konkretes, identifizierbares Bild entgegen [17]. (Abb. 9) Im programmatischen Vergleich von Plan und räumlicher Anschauung anhand perspektivischer Zeichnungen oder fotografischer Sequenzen und in der Visualisierung verbaler Äußerungen kommt klar das Bestreben zum Ausdruck, die zweidimensionale Planungstätigkeit und die dreidimensionale Raumerfahrung in Übereinstimmung zu bringen. (Abb. 10)

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Abb 9: Fotografien als Beweisführung: Die Autoren des Handbuchs «La Science des plans de villes» (1928) setzten Fotografien vornehmlich zur Überprüfung der plastischen Wirkung von Baukörpern und Stadtraum ein. Quelle: ETH Bibliothek


 
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Abb 10: Straßenprofil einer Fahrstrasse und Promenade in Essen kombiniert mit einer fotografischen Ansicht in Nelson P. Lewis’ Publikation «The Planning of the Modern City» von 1916. Quelle: https://archive.org
 

In solchen übergreifenden Darstellungsweisen spiegelt sich ein grundsätzliches Verständnis von Städtebau. Denn mehr noch als bei architektonischen Einzelwerken stellt sich im Städtebau die Frage, wie dessen vielschichtigen, nicht nur visuellen Aspekten Anschaulichkeit verliehen werden kann. Gerade bezüglich der sinnlich-subjektiven Wahrnehmung von Stadt- und Landschaftsräumen scheinen vor allem Fotografien ein geeignetes Darstellungsmittel zu sein. Sie haben den Vorteil, dass sie die Heterogenität plastischer Ensembles und deren Verhältnisse von Licht und Schatten, Höhen und Tiefen, Nähe und Ferne überaus detailreich und stimmungsvoll wiederzugeben vermögen.

Sie zeichnen eine dem Betrachter vertraute Seherfahrung nach, gleichzeitig steckt in den vermeintlich naturgetreuen Abbildern der Wirklichkeit auch ein erhebliches verführerisches Potential. Eben diese Vorzüge haben aber immer wieder Kritik hervorgerufen, denn der Reichtum an Details geht mitunter mit dem Verlust an Prägnanz einher, während zufällig ins Bild geratene oder nebensächliche Elemente plötzlich eine unbeabsichtigte, nur schwer kontrollierbare Aufmerksamkeit erhalten. Auch das ausschnitthafte, zentralperspektivische Sehen wurde wiederholt kritisiert.

Cornelius Gurlitt etwa lehnte Perspektivzeichnungen und Fotografien dezidiert ab und bezeichnete sie abwertend als «malerisch»: diese «Bilder und Bildchen» könnten das «Wesen städtebaulicher Kunst» nicht wiedergeben; es gehe dabei nicht um eine malerische, das heißt «auf einer Bildfläche» darstellbare Wirkung, sondern um eine plastische, deren «Reize im Umherwandeln» erkannt würden [18]. Den statischen Momentaufnahmen fehlt das dynamische Moment, das für die differenzierte Wahrnehmung einer räumlichen Situation unabdingbar sei. Im Unterschied zu einem Plan würden zudem unerwünschte Illusionen erzeugt.

Die Kontroverse um das «Malerische» im Städtebau prägte also sowohl die Frage der formalen Gestaltung des Stadtraums als auch dessen Darstellung. Sitte hatte mit dem Begriff die «Schönheiten des Stadtbaues» beschrieben [19], er wurde vor allem im Kontext der Stadtbaukunst rege diskutiert. Es ist daher kein Zufall, dass in Städtebauschriften häufig dann perspektivische Ansichten und Fotografien zum Einsatz kommen, wenn von künstlerischen Aspekten oder von «Schönheit» die Rede ist. Für einen Höhepunkt malerischer Darstellungen im doppelten Sinn sorgten sicher Schultze-Naumburgs Fotografien, die er oft sogar noch mit dem Pinsel retuschierte [20] (Abb. 11).

Denn mehr noch als bei architektonischen Einzelwerken stellt sich im Städtebau die Frage, wie dessen vielschichtigen, nicht nur visuellen Aspekten Anschaulichkeit verliehen werden kann.

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Abb 11: Auch der englische Autor Alfred R. Sennett retuschierte die Fotografien, die er 1905 in «Garden Cities in Theory and Practice» publizierte, teils kräftig, wie die Aufnahmen von städtischen Dachgärten erkennen lassen. Quelle: https://archive.org

Im Lauf der Jahrzehnte kamen so viele neue Beispiele und Themen hinzu, auch neue Maßstäbe und Bildtypen, wie zum Beispiel die Fotocollage.

Für Gurlitt konnte «die Schönheit eines städtebaulichen Entwurfes» allenfalls durch ein «Modell, vielleicht selbst noch durch eine Vogelperspektive» erläutert werden, auf perspektivische Ansichten verzichtete er ansonsten ganz bewusst. Lage-, Grundriss- und Schnittpläne waren seiner Meinung nach die dem Städtebau wie auch der Architektur angemessene Darstellungsform [21]. Sie geben genaue, mess- und vergleichbare Verhältnisse wieder und ermöglichen die Trennung von Wesentlichem und Unwesentlichem, indem einzelne Elemente je nach Zweck und Absicht bewusst gezeigt, vereinfacht, mit Symbolen ersetzt oder weggelassen werden können. Dies setzt selbstverständlich entsprechende Lesefähigkeiten und die richtige Interpretation der dargestellten Merkmale voraus.

Tatsächlich sind fotografierte Stadt- und Landschaftsbilder oft schwierig zu lesen. Sogar Schultze-Naumburg scheint das geahnt zu haben, da er es immerhin für nötig hielt, seinen Aufnahmen zur Orientierung jeweils kleine, schematische Grundrisse beizufügen. Auch Gurlitt ließ trotz seines strengen Diktums Ausnahmen gelten, etwa, wenn es um die Darstellung der Tiefenwirkung einer Straße ging. Offenbar fand er in diesem Fall eine das Auge ansprechende, weniger abstrakte Darstellungsweise angebracht [22].

Nur wenige Autoren lehnten bestimmte Darstellungsformen so kategorisch ab wie Gurlitt, die meisten bedienten sich des gesamten Spektrums und entwickelten die Konventionen je nach Absichten und Möglichkeiten fortlaufend weiter. Mit den Büchern von Alphand, Stübben Sitte lagen erste umfangreiche, systematisch zusammengestellte Mustersammlungen von verschiedenen Platzgrundrissen und Straßenprofilen vor [23]. Im Bereich der Fotografie mussten entsprechende Vorlagen und Konvolute zuerst noch erarbeitet und druckfähig gemacht werden. Im 19. Jahrhundert hatte das Augenmerk vorwiegend der Inszenierung bekannter architektonischer Einzelmonumente gegolten.

Erst nach der Jahrhundertwende rückte mit der Debatte über die Stadtbaukunst und Denkmalpflege allmählich der Stadt- und Landschaftsraum in den Fokus. Mit Aufnahmen wie jenen von Robinson, Schultze-Naumburg und Albert Erich Brinckmann entstanden schließlich erste methodisch angelegte, fotografische Motivsammlungen [24]. Dabei ging es nicht um pittoreske Postkartensujets, sondern in erster Linie um präzise städtebauliche Aussagen. Exemplarisch veranschaulicht dies Robinsons Fotostrecke, die eine breite Palette typischer städtebaulicher Elemente – Plätze, Squares, Parkanlagen, Baugruppen, Geschäftshochhäuser, Bahnhöfe, Brücken, Uferwege, Boulevards, Wohnstrassen, Tore, Brunnen und Verkehrsinseln – vorstellt.

Die Verfügbarkeit von Abbildungen wurde durch neue technische Möglichkeiten und den internationalen Handel stetig erweitert [25]. Die Nachfolger von Alphand, Stübben, Sitte oder Schultze-Naumburg konnten auf deren Quellen aufbauen, Vorlagen unverändert übernehmen oder den eigenen Vorstellungen und ortspezifischen Bedingungen anpassen. Im Lauf der Jahrzehnte kamen so viele neue Beispiele und Themen hinzu, auch neue Maßstäbe und Bildtypen, wie zum Beispiel die Fotocollage. (Abb. 12, Aufmacherbild)

Die Autoren verwendeten in ihren Schriften nicht nur kompilatorisch bereits bekannte Vorlagen und Motive, sie ließen auch deutlich den Anspruch erkennen, dem bestehenden, allgemein verbreiteten Abbildungskorpus neue Beispiele aus eigenen Skizzen und Projekten hinzuzufügen und auf diese Weise neue Zukunftsbilder zu entwerfen. Unabhängig vom gewählten Bildtypus, Maßstab und Motiv verfolgten sie mit der Präsentation von Plänen, perspektivischen Ansichten, Diagrammen und Tabellen alle dasselbe Ziel: ein Bild ihrer Vorstellung von Stadt und Städtebau zu vermitteln und mit diesem «Bild, indem es etwas zu sehen gibt, [...] sichtbare Einsichten» [26] zu geben.

 

Der Essay ist eine gekürzte, überarbeitete Fassung des Textes «Sichtbare Einsichten», publiziert in: Manuale zum Städtebau. Die Systematisierung des Wissens von der Stadt 1870–1950, hg. von Vittorio Magnago Lampugnani, Katrin Albrecht, Helene Bihlmaier und Lukas Zurfluh, Berlin 2017.

Katrin Albrecht
Prof. Dr. Katrin Albrecht ist Architektin, promovierte Architektur- und Städtebauhistorikerin und Dozentin. Sie forschte als Postdoc am Institut gta an der ETH Zürich und unterrichtet seit 2017 Architekturgeschichte und Theorie an der ArchitekturWerkstatt St.Gallen OST. Forschungsschwerpunkte: Geschichte des europäischen Städtebaus, italienische Architektur des 19. und 20. Jahrhunderts, Entstehung und Wandel von Wohntypologien, Wohnpraktiken, Siedlungs- und Stadtstrukturen in der Ostschweiz, Biografien, Frauen in Architektur und Städtebau.

Curriculum Vitae und Publikationen
Quellen und Verweise
[1] Vgl. Rundbrief Fotografie. Sammeln – Bewahren – Erschliessen – Vermitteln. Sonderheft 4: Fotografie gedruckt, Göppingen 1998, S. 5–30; Eva-Maria Hanebutt-Benz und Kirstin Wiedau, «Technik des Abbilds. Die drucktechnische Revolution im 19. Jahrhundert“, in: Katharina Krause, Klaus Niehr und Eva-Maria Hanebutt-Benz (Hg.), Bilderlust und Lesefrüchte. Das illustrierte Kunstbuch von 1750 bis 1920, Leipzig 2005, S. 43–58; Richard Benson, The Printed Picture, New York 2008.
[2] Vgl. Rolf Sachsse, Bild und Bau. Zur Nutzung technischer Medien beim Entwerfen von Architektur, Braunschweig/Wiesbaden 1997, S. 36–44, 59–82.
[3] Vgl. Andreas Haus, «Fotogene Architektur“, in: Daidalos, (Dezember 1997), Nr. 66, S. 84–91; Rolf Sachsse, «Mappen Muster Motive – und die Moderne. Wie die Architektur ins Buch und unters Volk kam“, in: Katharina Krause und Klaus Niehr (Hg.), Kunstwerk – Abbild – Buch. Das illustrierte Kunstbuch von 1730 bis 1930, München/Berlin 2007, S. 173–193; Matthias Noell, «Stadtbilder und Städtebücher. Der reproduzierte Blick auf die Stadt“, in: Sigrid Brandt und Hans-Rudolf Meier (Hg.), Stadtbild und Denkmalpflege. Konstruktion und Rezeption von Bildern der Stadt, Berlin 2008, S. 80–93.
[4] «Das Bild mit seiner ihm eigentümlichen Leistung der Evidenz bleibt unverzichtbares Element wissenschaftlicher Argumentation, wie umgekehrt die Evidenz durch die diskursive Begründung allererst legitimiert werden muss.“ Dieter Mersch, «Das Bild als Argument. Visualisierungsstrategien in der Naturwissenschaft“, in: Ikonologie des Performativen, hg. von Christoph Wulf und Jörg Zirfas, München 2005, S. 322–344, hier S. 325.
[5] Paul Schultze-Naumburg, Kulturarbeiten, 9 Bde., 1901–1917, Bd. 4: Staedtebau, München 1906.
[6] Andreas Haus, «Foto, Propaganda, Heimat“, in: Fotogeschichte, 14 (1994), Nr. 53, S. 3–14, hier S. 3. Der Reformer Paul Schultze-Naumburg, Vordenker und aggressiver Verfechter der Kultur- und Rassenideologie der Nationalsozialisten, behielt die höchst suggestive Gegenüberstellung von Abbildungen auch in seinen späteren Schriften, zum Beispiel Kunst und Rasse von 1928, bei.
[7] «The current periodicals, quick to note the trend of popular thought, became full of the subject; and their proof of the facility with which it can be illustrated has created the demand that the new edition of Modern Civic Art should contain appropriate designs.“ Charles Mulford Robinson, Modern Civic Art or The City Made Beautiful, 2. Aufl., New York/London 1904, S. V. Robinsons Bücher waren überaus erfolgreich, das 1901 erstmals erschienene Buch The Improvement of Towns and Cities wurde 1916 bereits zum 12. Mal neugedruckt, Modern Civic Art lag damals in der 4. überarbeiteten Ausgabe vor. Vgl. auch Charles Mulford Robinson, City Planning with Special Reference to the Planning of Streets and Lots, New York/London 1916.
[8] Vgl. Adolphe Alphand, «Les Promenades de Paris» , 2 Bde., Paris, J. Rothschild 1867–1873. Zu Technik und Charakteristika der (Chromo)-Lithographie, des Holz- und Stahlstichs vgl. Hanebutt-Benz und Wiedau 2005 (wie Anm. 1), S. 44–55.
[9] Zu den verdienstvollen Erfindungen von Angerer & Göschl und Meisenbach auf dem Gebiet der Hochätzung und Rastertechnik vgl. Dorothea Peters, «Ein Bild sagt mehr als 1000 Punkte: Zu Geschichte, Technik und Ästhetik der Autotypie“, in: Rundbrief Fotografie 1998 (wie Anm. 1), S. 23–30.
[10] Gerade in den Anfängen war man den neuen Druckmethoden gegenüber noch skeptisch: «Die Zinkotypie ist außerordentlich verwendbar, wo es sich um billige und schnelle Herstellung großer Massen handelt, aber künstlerischen Anforderungen wird sie nur in sehr beschränktem Maße entsprechen können.“ Allgemeine Zeitung, 9. Februar 1883, S. 579 (zit. nach Rundbrief Fotografie 1998 (wie Anm. 1), S. 25).
[11] Vgl. Camillo Sitte, Der Städte-Bau nach seinen künstlerischen Grundsätzen, Wien 1889.
[12] Sachsse 2007 (wie Anm. 3), S. 190.
[13] Vgl. ebd.; sowie Hermann Muthesius, Das englische Haus. Entwicklung, Bedingungen, Anlage, Aufbau, Einrichtung und Innenraum, 3 Bde., Berlin 1904–1905.
[14] Vgl. zum Beispiel Alfred R. Sennett, Garden Cities in Theory and Practice, 2 Bde., London 1905; Joseph August Lux, Der Städtebau und die Grundpfeiler der heimischen Bauweise, Dresden 1908. Henry Inigo Triggs, Town Planning. Past, Present and Possible, London 1909; Raymond Unwin, Town Planning in Practice. An Introduction to the Art of Designing Cities and Suburbs, London/Leipzig 1909.
[15] Vgl. René Danger, Cours d’urbanisme, Paris 1933. Luftaufnahmen spielen nach 1920 auch in vielen anderen Städtebauschriften eine wichtige Rolle, zum Beispiel in Werner Hegemann und Elbert Peets, The American Vitruvius: An Architects’ Handbook of Civic Art, New York 1922; Joseph Gantner, Grundformen der europäischen Stadt. Versuch eines historischen Aufbaues in Genealogien, Wien 1928.
[16] Sachsse 1997 (wie Anm. 2), S. 66. Mappenwerke waren «Vorbildsammlungen“ und galten mehrfach als Mischform: «Distributiv zwischen Buch und Einzelbild, drucktechnisch zwischen Originalabzug und Buchdruck, aufnahmetechnisch zwischen Reisephotographie und Meßbild angesiedelt, dabei im Gebrauch und vom Benutzerkreis sehr eng definiert.“ Ebd., S. 67.
[17] Vgl. Adolphe-Augustin Rey, Justin Pidoux und Charles Barde, La Science des plans de villes. Ses applications à la construction, à l’extension, ä l’hygiène et à la beauté des villes. Orientation solaire des habitations, Lausanne/Paris 1928.
[18] Vgl. Cornelius Gurlitt, Handbuch des Städtebaues, Berlin 1920, S. 11. Anfang der 1950er Jahre übte Rudolf Schwarz, damals Generalplaner für den Wiederaufbau von Köln, dieselbe Kritik an der Fotografie, vgl. hierzu Sachsse 1997 (wie Anm. 2), S. 210–214.
[19] Sitte 1889 (wie Anm. 11), S. 114. Der Begriff des «Pittoresken“ («picturesque“) hatte sich im 18. Jahrhundert im Zusammenhang mit der Landschaftsmalerei zunächst in England als neue ästhetische Kategorie neben dem «Schönen“ und «Erhabenen“ etabliert. Als Leitmotiv der deutschen Literatur der Romantik erfuhr er um 1800 einen grundlegenden Bedeutungswandel. Heinrich Wölfflin führte 1915 «das Malerische“ und sein Pendant, «das Lineare“, als Grundbegriffe in die Kunstgeschichte ein, vgl. Heinrich Wölfflin, Kunstgeschichtliche Grundbegriffe. Das Problem der Stilentwicklung in der neueren Kunst, München 1915.
[20] Zu den «Malertendenzen“ Schultze-Naumburgs vgl. Haus 1994 (wie Anm. 6), S. 4.
[21] Vgl. Gurlitt 1920 (wie Anm. 19), S. 11. Auch Ludwig Mies van der Rohe habe «schon früh verstanden, dass der historisierende Moment des fotografischen Akts für zukünftige Bauvorhaben nur als Referenz eingesetzt werden kann, nicht aber als Element der Planung selbst.“ Rolf Sachsse, «Architekturfotografie. Das analoge Bild der klassischen Moderne – zur gegenseitigen Historisierung von Fotografie und Architektur im 19. und 20. Jahrhundert“, in: Wolfgang Sonne (Hg.), Die Medien der Architektur, Berlin/München 2011, S. 90.
[22] Vgl. Gurlitt 1920 (wie Anm. 19), S. 320–323.
[23] Die Abbildungen waren von den Autoren größtenteils nach eigenen, während Reisen vor Ort gezeichneten Skizzen und Aufnahmen angefertigt und oft vorgängig in Zeitschriften und Reiseberichten publiziert worden.
[24] «Der hohe Aufwand für fotografische Expeditionen [war] ökonomisch nur durch die Auswahl bekanntester Objekte zu kompensieren. Damit bildete sich früh ein Kanon der architektonischen Reise- und Dokumentationsfotografie“, der auch nach der Vereinfachung der Produktion und der Gründung spezialisierter Bildagenturen gültig geblieben sei. Vgl. Sachsse 2007 (wie Anm. 3), S. 175, 180–181. Bezüglich der Stadtfotografie vgl. Noell 2008 (wie Anm. 3), S. 82.
[25] Vgl. Hanebutt-Benz und Wiedau 2005 (wie Anm. 1), S. 48–52.
[26] Mersch 2005 (wie Anm. 4), S. 327.

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